In der Schreibwerkstatt der Kunsttherapie geht es oft ganz schön philosophisch zu und her: Was ist Freiheit? Woran erkenne ich das Glück? Was passiert, wenn wir Abschied nehmen? Was will ich, was darf ich, was muss ich im Leben? Und sind die Grenzen immer so klar? Wie sehen meine Träume aus? Wofür bin ich dankbar?

Wir schreiben Briefe an die Traurigkeit, an die Freude und den Schmerz. Oder wir verfassen einen Brief an uns selber: Wie geht es dir heute? Was sind die nächsten Schritte auf deinem Weg? Wir halten Erinnerungen fest und lassen sie wieder los. Wir suchen nach Worten für das, was im Moment ist: Was wir sehen, hören, riechen, schmecken, spüren. Was wir im Körper empfinden. Was im Kopf an Gedanken herumgeistert. Wie wir uns jetzt gerade fühlen. Oder wir schreiben Gedichte mit genau elf Wörtern. Erstellen Listen mit dem, was wir mögen und nicht mögen. Was uns Angst macht oder schöne Gedanken weckt. Und lassen mal Dampf ab mit einem Gedicht über den Ärger.

Es gibt beim Schreiben keine Aufgaben zu lösen. Keine Pflichten zu erfüllen. Nur zu suchen, wofür das eigene Herz schlägt. Wo das Interesse wach wird. Wo eine Last drückt. Was längst hätte gesagt sein wollen, aber wofür die Worte bisher fehlten.

Wenn sich Schreibhemmungen zeigen, der innere Kritiker herumzumäkeln beginnt, sich eine Unlust anschleicht oder der Kopf leer zu sein scheint – dann beginnen wir mit den Wörtern zu spielen. Zerschneiden sie und setzen sie neu zusammen. Schreiben fünf Minuten lang drauflos, ohne jemals den Stift abzusetzen. Legen mit Wörtern ein absurdes Gedicht und bringen uns damit selber zum Lachen. Ziehen Kreise über das Papier, bis Worte aus dem Kugelschreiber rollen.

Wenn wir uns nach der Schreibsequenz wieder in der Runde treffen, geht es ums Reden, Erzählen und Vorlesen. Wir hören zu, freuen uns mit, staunen, fragen nach. Das Teilen von Gedanken und Stimmungen kann erleichternd und bereichernd sein. Geschichten lösen Geschichten aus. Fremde Erinnerungen wecken die eigenen. Beim Schreiben, Erzählen und Zuhören kommen wir uns selber Wort für Wort auf die Spur.

Seit 1999 arbeitet Stephan Mathys als Kunsttherapeut in der Klinik Südhang und ist daneben immer mal wieder in künstlerische Projekte verwickelt.