Der Konsum von Katrin wurde rasch unkontrolliert − und führte letztlich zu einem Zusammenbruch mit anschliessendem Aufenthalt im Psychiatriezentrum Münsingen. Katrin erzählt ihre Geschichte.

«Nach meinem Zusammenbruch vor rund vier Monaten fand ich mich auf der Akutstation des Psychiatriezentrums Münsingen wieder. Ich blieb rund zwölf Wochen auf der Therapiestation für Abhängigkeit Münsingen TAM und nahm an einem Therapieprogramm teil.

In dieser Zeit haben meine Therapeutin und ich uns gemeinsam überlegt, wie es für mich weitergehen soll. Wir waren uns einig, dass der direkte Weg zurück in den Alltag noch nicht möglich war. Ich hätte mich überfordert. Sie war es, die die Tagesklinik im Südhang vorgeschlagen hat, weil dies ein guter Übergang sei. Das klang vielversprechend: man wohnt also zu Hause, nimmt aber immer noch am Therapieprogramm teil.»

«Was ich hier in Theorie lerne, kann ich gleich umsetzen: beispielsweise der Umgang mit Triggern.»

Katrin über Vorteile der Tagesklinik

Die Tagesklinik – ein Übergang zurück ins Leben

«Der Übertritt in den Südhang hat vor sieben Wochen stattgefunden. Die erste Zeit war sehr hart. Ich habe den Weg nach Hause immer gefürchtet, wäre manchmal fast lieber einfach hier in Kirchlindach geblieben. Denn man muss ja an Läden vorbei, die Alkohol anbieten und man ist der Werbung ausgesetzt. Aber auf der anderen Seite hat mich jede erfolgreiche Heimkehr bestärkt, weiterzumachen. «

«Ich habe mich zunächst vor dem Heimweg gefürchtet, weil ich überall Triggern ausgesetzt bin.»

Katrin über Trigger auf dem Heimweg

Wer ist Katrin?

Katrins Suchtbiografie

Warum für mich die tagesklinische Behandlung passend war?

«Gewisse Dinge sind sicherlich einfacher in stationärer Behandlung: an einem schlechten Tag kann man sich einfach abgrenzen, zurückziehen und der Versuchung aus dem Weg gehen. Denn man muss nicht im Alltag funktionieren und keinen Einkauf tätigen. Da ist die Tagesklinik im Vergleich schon härter. Dafür kann man nach einem Rückfall am nächsten Tag wieder die Klinik besuchen, offen darüber sprechen und sich mit Menschen austauschen, welche die gleichen Schwierigkeiten mit sich herumtragen.»

Der strukturierte Tagesablauf

«Mein Tagesablauf folgt einem individuellen Stundenplan, den ich mit meinem Therapeuten zusammengestellt habe. Ich besuche ausgewählte Therapiemodule, die mich interessieren und mir hoffentlich helfen. Heute Morgen beispielsweise besuchte ich die Musiktherapie.

In der Mittagsrunde tauscht man sich untereinander darüber aus, wie es einem geht. Im Zentrum stehen die Patient*innen, welche ein Konsumereignis, einen Rückfall hatten oder sonst gerade eine Krise durchleben. Wir tauschen uns aus, warum jemand eine Krise hatte und wie man darauf reagieren könnte. Ziel ist, beim nächsten Mal besser aus dieser Situation zu kommen.»

Meine anfängliche Mühe in der Gruppentherapie

«Das Sprechen vor der Gruppe hat mir zu Beginn Mühe bereitet. Ich hatte Hemmungen, die ich aber inzwischen ablegen konnte. Besser wurde es in dem Moment, als ich realisierte, dass alle hier ähnliche Probleme mit sich herumtragen. Jede*r kämpft mit der Sucht und psychischen Problemen. Auch wenn die anderen vielleicht nichts zu meinem Beitrag kommentieren, lese ich bei den anderen ab, dass sie Verständnis haben oder die mit der Situation vertraut sind. Ein leichtes Nicken oder Augenzwinkern reicht dann bereits, dass ich mich verstanden fühle.»

Stress mit Stress

«Rückblickend merke ich, dass mich vor allem die Auseinandersetzung mit meinem inneren Stress weitergebracht hat. Darum habe ich die Therapiemodule zum Thema Stress belegt. Es geht um die Fragen: Was löst bei mir Stress aus? Wie gehe ich mit Stress um? Welche Strategien kamen bisher zur Anwendung und wie möchte ich in Zukunft darauf reagieren?

Und dann wurden mir Skills präsentiert, die helfen, Spannungszustände zu reduzieren. Es sind Gegenstände, die durch Reiz den Stress abbauen. Das Ausprobieren war spannend für mich. In einem Tagebuch halte ich fest, wie ausgeprägt ich Stress erlebe, bestimme den Stresslevel auf einer Skala von 1-10. Ausserdem halte ich fest, ob das Skill geholfen hat, die Anspannung abzubauen. Das werde ich auch in Zukunft beibehalten.»

«Meine Skills, die ich nun stets mit mir herumtrage sind: Igelbälle, Tigerbalsam, Massageringe für meine Arme, Knettiere und einen Skill-Kugelschreiber.»

Katrins Auswahl an Skills

«Ich selber war nie resistent gegenüber Stress. Neue, unbekannte Situationen lösen bei mir Stress aus. Oder auch die Vorstellung, was alles schiefgehen kann und wie ein kleinster Fehler zur Katastrophe werden könnte. Durch den Konsum von Alkohol konnte ich den Stress ablegen und komplett abschalten. In solchen Momenten war ich sehr selbstbewusst. Schon die Aussicht auf ein Glas Wein am Abend gab mir den nötigen Mut, den Tag durchzustehen. Und ich wusste, dass die Welt dann schon wieder viel besser aussehen würde.»

Trigger – überall lauern Fallen

«Seine Allgegenwärtigkeit macht den Alkohol zu einer schwierigen Substanz. Die Erinnerung an Alkohol löst Trigger aus. Wahrscheinlich hängt es davon ab, wie und welche Art von Alkohol man konsumiert hat. Bei einem suchterkrankten Menschen, der in Gesellschaft konsumiert hat, wird es brenzlig in einer Gruppe von konsumierenden Menschen. Da ich alleine konsumiert habe, macht mir so eine Situation wenig aus. Dafür bereitet es mir Mühe zuzuschauen, wenn jemand ein Glas Wein trinkt und es geniessen kann − wie dies oft in Filmen oder Serien gezeigt wird.»