Die Festtage sind nicht für alle Menschen einfach. Sie beinhalten viel Schönes, sind aber oft auch mit grossen Erwartungen und Verpflichtungen verbunden. Wie gehen Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung damit um? Wir haben mit zwei ehemaligen Patienten der Klinik Südhang gesprochen.
Erfahrungen und Tipps von Beat L.

Beat L. ist ehemaliger Patient der Klinik Südhang. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und eine Handvoll Enkelkinder. Er arbeitet als Betreuer im betreuten Wohnen. Zudem leitet er eine Selbsthilfegruppe für Alkoholismus Betroffene.
Was kann ich tun, wenn Schwierigkeiten auftreten?
«Eine Liste mit Notfallnummern machen und einen Plan bereithaben.»
Wie sieht mein Notfallplan aus (02:25, MP3)
Wie gehen Sie persönlich mit den Feierlichkeiten rund um Sie herum um?
«Es gibt ja so viele Möglichkeiten, sich reinzustürzen in die Feierlichkeiten. Aber es ist einfach wichtig, sich ganz bewusst zu überlegen, will ich das, tut mir das gut, was ist mein Plan.»
Wie umgehen mit den Feierlichkeiten rundherum (03:45, MP3)
Erfahrungen und Tipps von A.M.

A.M. leidet seit vielen Jahren an einer Abhängigkeitserkrankung. Er hat mehrere stationäre Aufenthalte in der Klinik Südhang hinter sich und nutzt derzeit ambulante Angebote. A.M. ist alleinstehend und lebt mit seiner Katze in einer Wohnung in Bern. Die Festtage bedeuten für ihn zuallererst mal eine Pause.
A.M. Sie sprechen von einer Pause, wenn Sie von den Festtagen sprechen. Was genau meinen Sie damit?
A.M.: Vorderhand sind die Festtage, wie für viele andere auch, eine Pause von der Arbeit. Für mich bedeuten sie aber auch eine Therapiepause. In den letzten drei Jahren hatte ich nie wirklich freie Zeiträume oder Ferien, ich war immer in irgendeiner therapeutischen Behandlung. Nun freue ich mich auf die freien Tage, habe aber auch Respekt davor.
Inwiefern Respekt?
Ich habe bestimmte Erwartungen an diese Zeit, Dinge zu erledigen, die ich schon lange machen wollte – und die Befürchtung, dass ich es dann doch nicht schaffe. Das führt dann wieder zu Frust und negativen Gedanken, davor habe ich Respekt. Ich werde auch viel allein sein in diesen Tagen. Da weiss ich auch noch nicht, was dieses Alleinsein mit mir machen wird.
Haben Sie sich speziell vorbereitet auf diese Tage?
Ja, ich habe mir ein paar Ziele gesetzt. Es sind bewusst kleine Ziele, die zu sichtbaren Resultaten führen. So geht es bei mir vor allem darum, die Wohnung aufzuräumen, auszumisten.
«Ich möchte mir ein schönes Zuhause schaffen, wo ich mich wohlfühle.»
Wie sieht es mit gesellschaftlichen Anlässen aus, die in dieser Zeit stattfinden. Nehmen Sie da teil?
Ich treffe mich gerne mit vertrauten Menschen. So feiere ich am 24. und 25. Dezember mit meiner Familie und Verwandten. Ich bin froh, dass sie da sind und mich unterstützen. Was ich vermeide, sind «Smalltalk-Anlässe». Die ertrage ich nicht ohne Alkohol. Schwierig sind auch Fondueessen. Das habe ich gerade eben festgestellt. Ich nehme das Medikament Antabus ein. Es bewirkt, dass mir übel wird, wenn ich Alkohol konsumiere. Und da im Fondue Wein oder andere Alkoholika drin sind, kommt das nicht gut.
Woraus schöpfen Sie Kraft? Was tut Ihnen gut?
Es gibt viele Sachen, die mir guttun: lesen, Lego oder andere Bausätze zusammenbauen, rausgehen an die Sonne, Menschen treffen. Lesen war für mich schon immer zentral. Ich habe immer ein Buch in meinem Rucksack dabei. Bei den anderen Tätigkeiten ist die Umsetzung manchmal eine Herausforderung.
Ich habe zum Beispiel Mühe mit Abmachungen und Verpflichtungen. Kann ich den vereinbarten Tagesausflug mit einem Freund einhalten oder soll ich lieber nichts abmachen? Was stimmt für mich? In solchen Fragen erhoffe ich mir auch gewisse Erkenntnisse in der kommenden Zeit.
Haben Sie Tipps für andere Betroffene, wie sie mit der Festtagszeit umgehen können?
Tipps sind immer schwierig. Jeder Mensch hat seine eigenen Herausforderungen und Muster. Für mich ist wichtig, dass ich mir Zeit nehme für das, was ich gerne mache, und dass ich mir kleine Ziele setze. Sie geben mir Struktur und Halt. Man muss dann aber auch nachsichtig sein mit sich, wenn man ein Ziel noch nicht oder nur teilweise erreicht hat.
«Raclette für sich selbst machen, auf einem Rechaud mit Kerzen. Das ist einfach, schnell und super fein.»
Das Jahresende ist auch immer der Moment für Rückblicke und Ausblicke. Wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus und wo geht es hin?
Ich habe jetzt drei Jahre Therapie hinter mir. Das war die wohl lehrreichste Zeit in meinem Leben. Schade nur, dass sie nicht 20 Jahre früher gekommen ist. Aber ich hadere nicht damit. Es ist so, wie es ist. Für das kommende Jahr habe ich mir vorgenommen, wieder einmal richtig Ferien zu machen. Eine Reise zu planen, zu organisieren und dann auch durchzuziehen. Und ich will wieder im «normalen» Leben ankommen. Ich habe eigentlich alles – Job, Wohnung, Familie – und trotzdem ist es ein Neuanfang für mich, mit neuen Einstellungen und einem neuen Selbstverständnis von mir. Ich bin megastolz darauf, wo ich heute bin. Jetzt habe ich ein neues Leben. Ich weiss noch nicht, wo es hinführt, aber ich mache mich Schritt für Schritt auf diesen Weg.