Expositionstraining in der Klinik Südhang

Im Rahmen des Behandlungsprogramms «Mensch und Sucht» bietet die Klinik Südhang ein spezifisches Expositionstraining an. Dabei setzen sich Patient*innen gezielt mit substanzbezogenen Reizen auseinander und lernen, das entstehende Verlangen (Craving) auszuhalten, ohne ihm nachzugeben. Diese Methode hat sich in der Abhängigkeitsbehandlung bewährt, da sie hilft, automatisierte Verhaltensmuster zu durchbrechen. Zu beobachten, wie das Verlangen mit der Zeit abschwächt, ist für die meisten Patient*innen eine stärkende Erfahrung.

Wenn Menschen über eine längere Zeit Alkohol oder andere Substanzen benutzen, kann sich ein starkes inneres Verlangen entwickeln. Dieses Verlangen nennt man Craving.

Craving bedeutet: Eine Person spürt einen sehr intensiven Wunsch, die Substanz wieder zu konsumieren. Dieses Gefühl kann sehr belastend sein und manchmal so stark, dass es sich anfühlt, als handle man automatisch. Viele Menschen spüren Craving im Körper – zum Beispiel als Unruhe, Anspannung, Herzklopfen oder ein Ziehen im Bauch. Es wirkt manchmal, als würde der Körper „von selbst“ reagieren.

Craving entsteht im Belohnungssystem des Gehirns. Dort wirkt der Botenstoff Dopamin. Substanzen lösen eine sehr hohe Dopamin-Ausschüttung aus – viel höher als natürliche schöne Dinge wie Essen, Begegnungen oder Bewegung. Das Gehirn speichert deshalb ab: „Diese Substanz ist besonders belohnend.“

Mit der Zeit kann das Teil des Gehirns, das für Planung und Kontrolle zuständig ist, weniger Einfluss nehmen. Dadurch wird es für betroffene Personen schwieriger, Impulse zu steuern oder Versuchungen zu widerstehen. Das ist keine Frage von Willenskraft, sondern eine nachvollziehbare Folge von Veränderungen im Gehirn.

Das Suchtgedächtnis entwickelt sich. Das bedeutet, dass bestimmte Auslöser sehr schnell und automatisch ein starkes Verlangen auslösen können. Das können Dinge, Orte oder Situationen sein, die mit dem früheren Konsum verbunden sind, zum Beispiel eine Bar, ein bestimmter Gegenstand oder eine vertraute Person.

Das Expositionstraining ist eine Therapieform, bei der betroffene Personen in einem sicheren Rahmen mit solchen Auslösern konfrontiert werden – ohne zu konsumieren. So kann das Gehirn neu lernen, dass der Auslöser nicht mehr automatisch zum Konsum führt. Die alte Verbindung zwischen Reiz und Konsum wird dadurch schwächer.

Praktische Umsetzung

In unserem Programm „Mensch und Sucht“ setzen wir das Expositionstraining schrittweise und strukturiert ein.

Menschen bringen, wenn möglich, persönliche Gegenstände mit, die früher mit dem Konsum verbunden waren. Die Übungen finden in einer Gruppe statt. Wer sich entscheidet teilzunehmen, bleibt während der ganzen Sitzung dabei.

Während der Übung sollen alle beteiligten Personen bewusst wahrnehmen, was sie denken, fühlen und im Körper spüren. Ablenkung – auch humorvolle – wird vermieden, damit die Erfahrung klar spürbar bleibt.

Auf diese Weise lernen die Teilnehmenden: Craving lässt mit der Zeit nach, auch ohne Konsum und ohne Bewältigungsstrategien. Das stärkt das Erleben von Sicherheit und Selbstkontrolle.

Vor jeder Übung geben die Teilnehmenden auf einer Skala an, wie stark ihr Craving gerade ist. Die Übung endet erst, wenn das Craving deutlich zurückgegangen ist. Wenn das nicht gelingt, wird dies im Nachgespräch sorgfältig besprochen. Es besteht immer die Möglichkeit, an einer weiteren Sitzung teilzunehmen.

Fachliche Reflexion und Ausblick

Die Exposition soll vor allem dazu beitragen, dass Reize weniger Craving auslösen. In der Praxis zeigt sich, dass viele Menschen in der Übung auch mit belastenden Erinnerungen und Gefühlen in Kontakt kommen, die mit ihrem bisherigen Konsum verbunden sind.

Das ist nicht das ursprüngliche Ziel, kann aber sehr hilfreich sein und zu einem vertieften therapeutischen Prozess führen.

Bei illegalen Substanzen ist es manchmal schwierig, eine passende Übung in einem sicheren Rahmen zu gestalten. Virtual Reality kann hier neue Chancen bieten, weil sehr realistische, aber gleichzeitig sichere Situationen erzeugt werden können.

Damit das Expositionstraining langfristig wirkt, wäre es wichtig, dass Menschen die Übungen auch im Alltag weiterführen können. Hier besteht noch Entwicklungspotenzial.

Fazit

Das Expositionstraining ist im Setting der Klinik Südhang eine sorgfältig aufgebaute Methode. Menschen lernen, Auslöser für ihr Craving bewusst wahrzunehmen und auszuhalten. Das Ziel ist, dass das Craving schwächer wird und Personen mehr Selbstkontrolle erleben.

Die Methode ist gut erforscht, wird aber bisher nur selten konsequent in der Praxis eingesetzt. Wir sehen darin viel Potenzial und betrachten das Expositionstraining als wichtigen Teil unseres Behandlungskonzepts. Moderne Technologien wie Virtual Reality können die Methode künftig weiter stärken.

Es ist schon speziell, in einer Suchtfachklinik vor einem schön gekühlten Bier zu sitzen. Um das zu verstehen, müssen die Patient*innen mit der Theorie vertraut sein.

Weitere Informationen zum Expositionstraining

Mittendrin im Expotraining

Expositionstraining Klinik Südhang Suchtbehandlung

Der wissenschaftliche Hintergrund


Wie hast du das Expositionstraining als Psychologe erlebt?

Ein Interview mit Noah Tschirren, Psychologe an der Klinik Südhang, einem der Verantwortlichen für die Durchführung des Expositionstrainings.

Zwei Erfahrungsberichte aus der Exposition

Piet T. und Thierry S. stehen an einem ganz anderen Punkt in ihrem Leben – und haben das Expositionstraining auch ganz anders erlebt.