Vor einem Jahr wechselte der Koch Bernhard Gutmann vom Gourmet Restaurant in die Südhang Küche und kam damit als Hardcore-Gastronom in einen sozialen Betrieb. Im Interview erzählt der Sous-Chef von diesem Szenenwechsel und was ihn hier überrascht, begeistert und herausfordert.

Bernhard Gutmann, Sie bezeichnen sich selbst als Hardcore-Gastronom. Was meinen Sie damit?

Ich habe über 20 Jahre Erfahrung als Koch und mein Herz schlägt für die Gastronomie. Man ist in dieser Branche wie eine kleine Familie, die ihren eigenen Rhythmus hat – jeder kennt jeden, und man lebt zusammen am Rest der Gesellschaft vorbei. Das Arbeiten in der Gastronomie bedeutet lange, strenge Arbeitstage und wenig Freizeit, dafür Kreativität und Leidenschaft im Beruf. Ich habe in meiner Lehre das «Schickimicki»-Kochen gelernt und habe das seither sehr gerne gemacht. Einer möglichen Anstellung in der Küche der Klinik Südhang stand ich um ehrlich zu sein sehr skeptisch und voller Vorurteile gegenüber, denn für mich war und ist klar: Kantinenkoch werde ich nie!

Wie sind Sie schliesslich doch am Südhang Herd gelandet?

Ich habe zuvor sieben Jahre im Familienbetrieb meiner Schwester, im Restaurant Bären in Treiten im Seeland, gekocht. Als mich die Corona-Pandemie mehrere Monate in den Zwangsurlaub schickte, erschien mir die Stelle als stellvertretender Küchenchef hier wie ein Lichtblick. Ich hatte das Glück, dass ich zuerst einen Monat als Aushilfe hier arbeiten und reinschnuppern konnte. Dadurch konnte ich mir ein eigenes Bild machen, meine Vorurteile relativieren und erkennen, dass die Südhang Küche keineswegs eine Kantinenküche ist! Ich war positiv überrascht auf welchem Niveau hier gekocht wird und kam zum Schluss, dass ich hinter dieser Küche stehen kann.

Was zeichnet die Südhang Küche denn aus?

Wir kochen hier frisch und saisonal und kreieren abwechslungsreiche Menus. Für unser Essen erhalten wir meistens sehr positives Feedback von den Patientinnen und Patienten und wir merken, dass die Mahlzeiten im Therapiealltag einen wichtigen Stellenwert haben. Zu den regulären Mittags- und Abendmenus kommen Kreationen für gelegentliche Südhang Veranstaltungen, die dann auch mal etwas ausgefallener sein dürfen. Auch für die Cafeteria der Klinik erstellen wir manchmal einen feinen Dessertteller oder einen (alkoholfreien) Drink.

Somit ist die Arbeit in der Südhang Küche für mich sehr vielseitig und erlaubt es mir, mich kreativ einzubringen. Entgegen meiner Befürchtungen kann ich hier wirklich als Koch wirken und muss meine Tätigkeit nicht auf Fliessbandarbeit und das Öffnen von Packungen reduzieren.

Die Klinik Südhang ist ein sozialer Betrieb – merkt man das auch in der Küche?

Ja, das merkt man definitiv. Wir bieten Teilnehmenden der Arbeitsintegration Gelegenheit, in unserer Küche wieder in einen Arbeitsalltag einzusteigen und in unserem Team mitzuarbeiten. Das ist für mich sehr spannend, aber auch eine gänzlich neue Herausforderung. Der grösste «Kulturschock» war für mich der Umgang, der hier eindeutig vom sozialen Hintergrund der Klinik geprägt ist: In einer «regulären» Gastroküche herrscht ein rauer Umgangston mit «mach», «tu», «hüh» und «hopp». In der Südhang Küche klingt das ganz anders mit «bitte», «danke» und «könntest du». Daran musste ich mich zuerst gewöhnen und ich bin immer noch dabei, mich anzupassen und zu versuchen, ruhiger und geduldiger zu agieren.

Dazu kommt der Austausch mit den Patientinnen und Patienten, der für mich ebenfalls neu ist und ich sehr schätze. Lebensmittelunverträglichkeiten, Allergien oder Diäten besprechen wir meistens direkt mit den Betroffenen und nehmen dann entsprechende Menu-Anpassungen vor.

Welche Herausforderung bietet das eigentliche Kochen am Südhang Herd?

Das Mengenkochen! Wir kochen für die Patientinnen und Patienten und beliefern die Cafeteria der Klinik, die externe Gäste und die Mitarbeitenden bewirtet. Zusätzlich verpflegen wir auch noch die Kita Lindach, die sich gleich unterhalb des Klinikareals befindet. Somit kochen wir jeden Mittag etwa 120 bis 130 Menus, was nicht zu unterschätzen ist. Es braucht eine gute Koordination, um in solchen Mengen zu kochen und sämtliche Menus pünktlich liefern zu können. Ich bin mir Druck und Stress gewohnt, aber im à-la-Carte-Restaurant treten diese eher punktuell auf, während sie sich hier über den ganzen Tag verteilen.

Was ist der grösste Unterschied zu Ihren früheren Anstellungen als Koch?

Der grösste Unterschied liegt für mich gar nicht im Kochen selbst, sondern im Drumherum. Die Arbeitszeiten bieten mir eine ganz neue Lebensqualität, auf die ich vermutlich nicht mehr verzichten möchte. Ich habe hier meinen Arbeitsplan zwei Monate im Voraus und hatte dieses Jahr beispielsweise über Ostern frei. Früher wusste ich manchmal am Sonntagmorgen noch nicht, wie meine nächste Arbeitswoche aussehen wird und ich arbeitete an den meisten Feiertagen. Dieser unregelmässige Rhythmus vermisse ich definitiv nicht. Andere Aspekte der Gastro-Welt, die mir wichtig sind, habe ich auch in der Südhang Küche gefunden.

Zum Beispiel?

Wir sind ein tolles und flexibles Team und können uns gegenseitig aufeinander verlassen. Ich habe hier einen gewissen Gestaltungsfreiraum und kann mich einbringen und auch mal Dinge ausprobieren. Als Sous-Chef bin ich die rechte und manchmal die linke Hand vom Küchenchef Hannes Vogel und wir funktionieren sehr gut zusammen. Das ist sehr wichtig, denn ein schlechtes Küchenklima würde man auch dem Essen anmerken. Schlussendlich müssen Qualität, Menge und Geschmack stimmen – und das alles passt für mich im Südhang optimal.